Schuld sind immer die Anderen
KULTUR. Hubert Burghardt präsentierte im Dachstudio der Bibliothek schnelle Analysen und gab anspruchsvolle Denkanstöße.
DINSLAKEN. Wir Deutschen sind ein "Volk von Anspruchsberechtigten", wir wollen immer
mehr Sicherheit. Mit Sicherheit anspruchsvoll ist Hubert Burghardts Programm "Schuld sind
immer die Anderen", das er im Dachstudio der Dinslakener Stadtbibliothek als eine amüsante,
temporeiche und auch mal freche Mischung aus Stand-Up-Comedy, Sketchen, Szenen und
kleinen Liedern präsentierte. Das Schöne daran, dass sowieso immer die anderen Schuld sind,
ist, dass man ungehindert jammern kann. Und nirgendwo wird "so eindringlich, nachhaltig und
vor allem effektiv gejammert wie in Deutschland". Allen denjenigen, die noch Nachholbedarf
bei dieser "mentalen Reflexzonenmassage" haben, gibt Burghardt einen Volkshochschul-Kurs:
"Jammern - aber richtig" mit auf den Weg, vom Einwandjammern bis zum Abwehrjammern.
Schließlich gilt es, sich Besitzstände, Pfründe und Privilegien zu sichern. Denn auch in Zeiten
der gefühlten Rezession soll gelten: "Vom Fötus bis zur letzten Asche füllt uns Vater Staat
noch die Tasche."
Wenn der Chirurg den Gürtel enger schnallt
Ob Wirtschaftskreislauf oder Sozialstaat, es kommt nur auf den richtigen Blickwinkel an, um zu
wissen, wem man die Schuld in die Schuhe schieben kann. So leistet der Handwerker mit
seiner Schwarzarbeit am Ende auch nichts anderes, als eine Hilfsleistung an den Bedürftigen.
Und wenn der syrische Schönheitschirurg Dr. Al-Macht Fett absaugt, hilft er, ein
gesellschaftliches Problem zu beheben. Schließlich müssen wir alle den Gürtel enger
schnallen und bei einigen geht das nicht so ohne weiteres.
Wirtschaftsanalyse in zwei Minuten
Man muss sich schon ein bisschen konzentrieren, um Hubert Burghardts schnellen
Gesellschaftsanalysen zu folgen. Denn der selbsternannte Schwarzseher von Berufswegen
präsentiert schon mal in zwei Minuten die Kernprobleme unseres Landes. Dabei ist
beispielsweise das Problem der Arbeitslosigkeit nicht so einfach zu lösen. Denn neue
Mitarbeiter einstellen kostet, das hieße also, die Unternehmen müssten sparen, also
rationalisieren. Aber das heißt ja dann wieder entlassen. Und schon drehen wir uns im Kreis.
Ergebnis des kleinen Denkanstoßes? "Man macht am besten nix!" Schuld sind am Ende eh
immer die Anderen.