Badische Zeitung Lörrach
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22.09.09
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Scherzprodukte mit Substanz
Er kam auf die Bühne als "Hubert-Burghardt-Ich-AG", am Markt zukunftsgerecht
aufgestellt und dem Standort Deutschland treu, weil sich die Verlagerung nach Polen
der Sprachinfrastruktur wegen nicht bewährte. Es fing stark an, das Programm des
Dortmunder Kabarettisten Hubert Burghardt, der im Kulturzentrum Nellie Nashorn
seine Lörrach-Premiere gab. Und es blieb fast durchweg so. Dass es dann doch eine
leere Drohung blieb, er habe das Programm "Weltverbesserer" durch konsequentes
Rationalisieren auf schlanke 15 Minuten eingedampft, freute das anwesende Publikum.
Namen, die man noch nicht so kennt, haben es schwer im regen Lörracher Kabarett-Angebot.
Burghardt präsentierte eine teils launige, teils die bittere Realität schmerzhaft auf
den Punkt spießende Melange aus Songs, Plauderei und Rollenkabarett. Unter den
Figuren, in die der Dortmunder schlüpfte, überzeugte besonders Hilfspfleger Sergej
aus der Ukraine, der kopfschüttelnd die Gewichtungen im deutschen
Gesundheitswesen kommentiert. Da würden für die letzten Lebenstage todgeweihter
Menschen Ressourcen verpulvert, die dann für die oft lange Distanz der letzten Jahre
nicht zur Verfügung stünden – in Wahrheit ein nicht aufzulösendes ethisches
Dilemma. Sehenswert auch der Atomkraftgegner Gandolf, eine Erscheinung wie aus
einem anderen Leben und doch dem meist nicht ganz jungen Kabarettpublikum
vertraut. Mit Helm und Hosenbund bis unter die Achseln angetan, kommentiert er
den Wahnsinn des Zwischenlagers in der Wellblechhütte – ein "Pixi-Klo für den
Atommüll". Nur weil die Castor-Demonstrationen anmuten wie die "Hardcore-
Loveparade der Ewiggestrigen", müssen die politischen Botschaften noch nicht falsch
sein.
Dass Burghardt an seinem Land leidet wie weiland Heine, verriet sein"persönliches
Deutschlandlied"; dass er auf den Zeitgeist pfeift, erzählte das Lied für "Anna
Chronisch"; für den Satz, er habe sich seinen Zynismus hart erarbeitet, schlüpft er
in die Rolle von einem, der flammend für eine Gesellschaft nach den Regeln Darwins
eintritt. Burghardts Programm war formal nicht immer trennscharf – mitunter
wusste man nicht so recht, wer da gerade zu einem spricht. Es gibt sicher in der
Szene das glattere Programm, die perfektere Performance. Doch der Dortmunder,
der bereits mit seinem vierten Solo auf Tour ist, analysiert klug und findet oft eine
gute satirische Sprache für seine unbequemen Wahrheiten. Seine "Scherzprodukte"
haben Substanz. Am Standort Lörrach wurde er freundlich aufgenommen, vielleicht
spricht sich sein Name ja herum.