Badische Zeitung 27.05.2008

Hintersinnige Anleitung zum professionellen Jammern

Kabarettist Hubert Burghardt gastierte im Hoftheater

Lichtenau-Scherzheim (asc).
„Schuld sind immer die Anderen"; mit diesem Programm gastierte Hubert Burghardt im Hoftheater in Scherzheim. Nicht das erste Mal steht der Kabarettist auf dieser kleinen aber feinen Bühne, und sein Publikum hat von seinem früheren Auftritt her hohe Erwartungen. Es ist ein facettenreiches, kritikfreudiges Programm, das er da mitgebracht hat. Seine Beobachtungen hat er messerscharf analysiert und mit wortakrobatischem Können aufgearbeitet.
„Schuld sind immer die anderen" - um das richtig unter Beweis zu stellen, sind viele Dinge zu beachten: Erst einmal muss gejammert werden, glaubwürdig gejammert. So etwas will geübt sein: In dramatischen Worten, dadaistischen Wortfetzen und nicht zuletzt in richtiger Körperhaltung. Nicht nur Burghardt selbst, auch die Zuschauer müssen da mitmachen. Es seufzt und stöhnt im kleinen Hoftheater unter Anleitung, dass es für eine schaurige Gespensternacht reichen würde; hätte da nicht
immer wieder ein verräterisches Glucksen und Kichern die gemeinsamen Übungen gekippt.
Die Themenvielfalt ist beeindruckend: Da wird rundum alles durchleuchtet und auf die Waage gestellt: Eine Anleitung zum .,Klagen ohne zu leiden" va-i11 erarbeitet sein. Und Hubert Burghardt bindet immer wieder sein Publikum ins Programm ein. „Schwarzseher" ist seiner ifleinung nach nicht nur eine anerkannte Berufskrankheit bei Kabarettisten, er bringt es fertig, dass jeder sich angesprochen fühlt und so mit wachem Interesse und wachsender Spannung seinen Ausführungen folgt. Da ist die .,Märchensteuer", die es zu umgehen gelingt, wenn der Schwarzarbeiter nach BAT (Bar Auf die Tatze) entlohnt wird, oder die schlüssige Rechnung, dass der Betroffene drei Stunden schwarzarbeiten muss, um sich eine reguläre eigene Arbeitsstunde leisten zu können. Wen wundert es noch, dass auch dieser schwer arbeitende Mann einen vollen Kalender hat, wenn er selbst beim stellvertretenden Amtsleiter der Gewerbeaufsicht seine Dienste einbringen muss.
Hubert Burghardt verteilt seine scharfsinnigen Seitenhiebe und amüsanten Anmerkungen breit gefächert. Er arbeitet nicht monothematisch; niemand ist vor seinem zeitkritischen Witz sicher: da bekommen die „molligen Muttis in ihren großfloralen Leggins" ebenso ihr Fett weg, wie die allgegenwärtigen Kochsendungen mit „epidemischer Wirkung". In Mimik und Gestik perfekt wird er mit einem Minimum an Requisiten zum stotternden Gandolf oder zum plastischen Chirurgen Dr. Allmacht, dessen ethische Ansichten sich auch in engen Grenzen bewegen.
Aufgelockert wird das verbale Programm durch die gesanglichen Einlagen. Auch hier herrscht die ihm eigene Sprachakrobatik vor, die von eingängigen Melodien getragen wird. Hubert Burghardts begleitet sich am Klavier und zeigt dabei überzeugend seine künstlerische Vielseitigkeit.
Fulminanter Höhepunkt war der Vortrag von Goethes Faust, allerdings „nur erster Teil", wie der Künstler entschuldigend betont. In rasantem Tempo und in fünf Minuten rezitierte Hubert Burghardt das wohl bekannteste, epische Meisterwerk deutscher Sprache, stimmig in Reim und Rhythmus, mit allen wichtigen Personen und den bekannten Zitaten. Es ist anzunehmen, dass auch der alte Herr Geheimrat sich dem frenetischen Applaus des Scherzheimer Hoftheater-Publikums angeschlossen hätte.


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